Am Dienstagabend brachte «Der Club» von SRF
einen Talk zu «Vom Trend zur Normalität -
Schönheitsoperationen». Medienexpertin Dr. Regula
Stämpfli legt für den Klein Report dar, weshalb eine
derartige Runde inklusive Fragestellung zum
Körperhandeln im 21. Jahrhundert dem Thema alles
andere als gerecht wird.
Wissenschaftliche Debatten haben es immer
schwerer, in den öffentlich-rechtlichen Medien
aktuell zu sein oder überhaupt wahrgenommen zu
werden. Dies gilt in besonderem Masse für alle
Gender-Themen.
Offenbar lebt die «Club»-Redaktion noch im letzten
Jahrhundert und meint: Schönheit sei
«naturgegeben», «wichtig», in allen Gesellschaften
gleich. Dabei ist seit Jahrzehnten klar, dass
Schönheit keine biologische Gegebenheit ist,
sondern immer im politischen Herrschaftssystem
verankert ist. Ebenso klar ist, dass der
Schönheitsdiskurs eng mit der Warenwerdung von
Menschen verknüpft ist und zwar auf allen Ebenen:
Leihmutterschaft, Prostitution, Organtransfer,
Gesundheitsoptimierung und andere.
«Schönheit» medial ausschliesslich unter
ästhetischen Positionen zu verhandeln, erinnert an
das Stockholm-Syndrom - jenes psychologische
Phänomen, bei dem sich Geiseln nach einer
gewissen Zeit mit ihren Geiselnehmern
identifizieren. Denn: Was schön ist, entspricht
mächtigen Kulturtechniken, die nicht aus der
Biologie, sondern aus Herrschaftsgefügen und
Politik stammen.
Als besonders «schön» im Sinne erotischer
Donnerstag 04 08 2016
Attraktion galt im alten China beispielsweise die
Praxis, durch Knochenbrechen und extremes
Einbinden Lotos- oder Linienfüsse bei Mädchen und
Frauen zu erreichen. Die Prozedur brachte Mädchen
im Alter von fünf bis acht Jahren einen Klumpfuss,
damit kleinste, schmale und spitze Füsschen zustande
kamen. Lotosfüsse galten als Investition, damit
Töchter in höhere Schichten aufsteigen konnten. Es
gibt unzählige Beispiele, die belegen: Was Menschen
«schön» macht, ist nicht naturgegeben, sondern die
Verkörperlichung gesellschaftlicher, politischer und
kultureller Herrschaftssysteme.
Im Hinblick auf diverse Sexismusdiskussionen und der
Nichtbeachtung relevanter Studien zu «Gender» ist es
äusserst bedauerlich, dass der öffentlich-rechtliche
Sender es einmal mehr verpasst hat, auf dem aktuellen
Stand der Diskussion zu sein. So werden Frauen- und
Menschenbilder transportiert, die Klischees statt
Erkenntnis ins Wohnzimmer tragen. Daran ändert
leider auch die Präsenz von Dr. Lisa Schmalzried,
Universität Luzern, wenig, da sich die Philosophin in
ihrer Forschung mit der reinen Ästhetik der Debatte
begnügt.
@laStaempfli
Regula Stämpfli:
Vom «Club» direkt zur Schönheits-OP
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